Walter Kaufmann, Überlebender des Holocaust, Romanautor, Aktivist, Seemann und Korrespondent, war viele Jahre Mitglied in der Anna-Seghers-Gesellschaft und ist am 15.4.2021 im Alter von 97 Jahren in Berlin gestorben. In seinem Leben spiegelten sich auf außer-gewöhnlichste Weise weltweit bedeutende Ereignisse, Katastrophen, Erschütterungen des letzten Jahrhunderts, die bis in unsere Gegenwart wirken. 1924 kam er als Jizchak in Berlin zur Welt. Doch seine Mutter, die jüdische Verkäuferin Rachel Schmeidler, konnte nicht für ihn sorgen und gab ihn in die Obhut eines wohlhabenden Duisburger Ehepaares, das ihn Walter nannte. Während die Eltern nach der Pogromnacht 1938 verhaftet, deportiert und schließlich im KZ Auschwitz ermordet wurden, gelang Walter die Flucht mit einem Kindertransport nach Großbritannien. Dort wurde er als „feindlicher Ausländer“ interniert und 1940 auf dem Schiff „Dunera“ nach Australien in das Lager in Hay gebracht, wo er fast zwei Jahre gefangen gehalten wurde. Er wurde australischer Soldat, Hochzeitsfotograf, Seemann und später preisgekrönter Schriftsteller. Bewußt entschied er sich Mitte der 50er Jahre für ein Leben in der DDR. Er behielt seinen australischen Paß, durfte als Journalist und Schriftsteller in alle Welt ausreisen und verarbeitete diese Erfahrungen in zahlreichen Reportagen und Büchern. Von 1985 bis 1993 stand er als Generalsekretär dem PEN-Zentrum vor. Hochrangige Auszeichnungen wie der Fontane-Preis, der Heinrich-Mann-Preis sowie der Ruhrgebiet-Literaturpreis wurden ihm zugesprochen.
Karin Kasper und der Regisseur Dirk Szuszies haben einen Kinodokumentarfilm über sein spannendes Leben gedreht, der unter dem Titel „Welch ein Leben!“ in einer Sonderaufführung zu sehen ist. Der Regisseur wird anwesend sein.
ZEIT: Donnerstag, 3. November um 19 Uhr
ORT: im Mainzer Kino Cinestar
Der Film folgt den wesentlichen Lebenslinien Walter Kaufmanns: den katastrophalen Folgen des Nationalsozialismus, der Bürgerrechtsbewegung in den USA, dem Prozeß gegen Angela Davis, der Revolution in Kuba, den Atombombenabwürfen in Japan, der unendlichen Geschichte des israelisch-palästinensischen Konfliktes, dem Zusammenbruch der DDR.
Besonders berührend sind die Momente, in denen die Briefe, die Walters Adoptiveltern Sally und Johanna ihrem Sohn nach England und Australien schrieben, im Film ausdrucksstark zur Geltung gebracht werden.
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages 321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V. FFA und Kurt und Hildegard Löwenstein/Losten Stiftung.